Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD (AGS) in der Regio Aachen

Für eine soziale, nachhaltige und ökologische Wirtschaft

IHK lädt ein zum Unternehmerforum Tihange

Veröffentlicht am 10.11.2017 in Veranstaltungen

Wolfgang Renneberg spricht

Die IHK Aachen verfolgt seit langer Zeit die Situation des "Reaktors" Tihange des Betreibers ENGIE Electrabel S.A. mit Sorge. Sie tut das engagiert und sachlich, wie man es von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet. Folgen eines größeren Störfalls würden auch die Unternehmen der Region existenzbedrohend treffen. Daraus ergibt sich die Aufgabe der IHK, die Unternehmerschaft über Tihange zu informieren. Dem diente ein "Unternehmerforum Tihange" am 9.11.2017, zu der die IHK Vertreter des Kraftwerkbetreibers, Vertreter der belgischen Atomaufsicht, aber auch Vertreter des deutschen Umweltministeriums und einen prominenten Kritiker von Tihange eingeladen hatten. Informationen und Diskussion dienten der Auseinandersetzung mit dem Thema "Sicherheit und Risiko"

Die AGS beobachtet die Situation rund um Tihange mit großer Aufmerksamkeit und Sorge. Sie nimmt am Diskurs über das Thema teil und nutzt auch die Angebote der IHK zur Information. Die IHK Aachen setzt sich seit Langem mit dem Betrieb des Reaktors Tihange und dem damit verbundenen Risiko für unsere Region auseinander, im Interesse der von ihr vertretenen Unternehmen.

In einer Resolution der Hauptversammlung der IHK forderte sie im Januar 2017 die Stilllegung des Reaktors bis zum Abschluss der von den belgischen Aufsichtsbehörden geforderten Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit.

 Pressemitteilung der IHK vom 18.01.2017

Am 29.5.2017 informierte sich eine Delegation von 22 Unternehmern aus dem Kammer- Bezirk Aachen bei der Betreibergesellschaft ENGIE Electrabel S.A. in Brüssel über das Kernkraftwerk Tihange. "Die Unternehmer aus der Region Aachen sorgen sich um die Zukunft ihres Standorts", sagte damals IHK-Vizepräsident Wolfgang Mainz.

Dazu ein Artikel der AGS vom 30.05.2017

Weiterhin offene Fragen bezüglich des Meilers Tihange 2 machten ein Abschalten des Meilers notwendig, so eine Forderung der IHK im November 2017. Daher fand am 9.11.2017 ein „Unternehmerforum Tihange“ der IHK statt, zu dem Vertreter der Betreibergesellschaft ENGIE Electrabel S.A., Vertreter der Atomaufsichtsbehörden, des Bundesumweltamtes und der Wissenschaftler und Tihange-Kritiker Wolfgang Renneberg eingeladen waren. Letzterer hat für die Städteregion Aachen die Studie zu Gefahren eines GAU in Tihange erstellt. Nach vier Kurzreferaten blieb noch reichlich Gelegenheit für die Unternehmerinnen und Unternehmer, Fragen an die Podiumsteilnehmer zustellen.

Bericht zum Verlauf der Veranstaltung

Michael F. Bayer (Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen) begrüßte zunächst die Expertenrunde auf dem Podium und die zahlreichen Gäste, Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Kammer- Region Aachen. Bayer erinnerte an die Historie des Kammer- Engagements in Sachen Tihange. Dabei sei der Besuch einer 22-köpfigen Delegation der IHK bei ENGINE Elektrobell S.A in Brüssel (Tihange- Betreiber) ein erster Schritt zu einem lösungsfähigen Dialog gewesen. Bayer ging auf die Proteste des „Aachener Aktionsbündnisses gegen Atomenergie“ ein und nannte als gemeinsames Ziel Sicherheit!

Bayer begrüßte zwar den Protest gegen Tihange, kritisierte aber die Angriffe auf die IHK, welche die Glaubwürdigkeit des Bündnisses schwächen würden.

Für die Moderation der Veranstaltung hatte die IHK Hendrik Kafsack (EU-Korrespondent der FAZ in Brüssel) gewinnen können, der seine Aufgabe souverän löste.

Im ersten von vier Kurz- Statements stellte Thierry Saegeman (Chief Nuclear Officer von Electrabel) Geschäftsfelder und Ziele („gegen globale Erwärmung“) seines Unternehmens vor. „Nukleare Sicherheit ist unsere absolute Top-Priorität“, so Saegeman. „Unsere Kraftwerke sind „State of the Art“. Er zählte zahlreiche Bemühungen auf, die Sicherheit des Meilers zu verbessern. Weiter lobte Saegeman die Transparenz von Elektrobel und nannte als Beispiel u.a. eine deutschsprachige Web- Seite zur Information.

Den zweiten Beitrag lieferte Jan Bens, seit 2013 Leiter der FANC (Federaal Agenschap voor Nucleaire Agentschap voor Nuvleaire Controle, belgische Atomaufsichtsbehörde). (Anm. der Radaktion: Bens war von 1978 bis 2007 bei Electrabel beschäftigt).

Bens erklärte die Aufgaben der FANC und nannte die FANC „unabhängig, mit eigenem Budget“. Er ging auch auf die Störfälle bei Tihange und Doel ein. Er stehe außerdem in stetem Austausch mit seinen Kollegen in Deutschland und den Niederlanden, auch mit dem Bundesumweltministerium.

Part drei übernahm Kai Jochen Weidenbrück ( Im BMUB für Nukleare Sicherheit tätig).

Er nannte den Betreiber als Verantwortlichen für Tihange . Eine Mitverantwortung verortete er bei der belgischen Atomaufsicht. Das BMUB sei mit allen Betreibern von Atomkraftwerken Europas im Dialog. Wasserstoff-Flocken im Stahl des Reaktor- Druckbehälters (Das Problem von Tihange) sei bei der Stahlherstellung bekannt, nicht aber die Entstehung während des Betriebs. Die Unterlagen des Betreibers dazu und zur Tragfähigkeit des Stahls seien plausibel. Nicht nachvollziehbar aber seien die Bewertungen zur Störfallbelastung. Auch die Stellungnahmen der FANC seien nachvollziehbar, es gäbe aber noch wegen der Werkstoffprüfung Diskussionsbedarf. Ministerin Renate Hendricks bleibe daher bei ihrer Bitte, den Reaktor abzuschalten.

Das letzte Statement kam von Prof. Wolfgang Renneberg, Leiter des Büros für Atomsicherheit. Er leitete von 1998 bis 2009 die Abteilung Reaktorsicherheit bei der deutschen Atomaufsicht, bis er vom damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen entlassen wurde. Sein Nachfolger: Atomlobbyist Gerald Hennenhöfer!

Renneberg hatte das Gutachten über verbleibende Restrisiken für die Städteregion angefertigt. Sein Thema: „Der Umgang mit dem Risiko!“. Renneberg : Welchen Experten soll man glauben, wenn das Verständnis fehlt? Die Frage sei: Welche Sicherheit reicht mir?

Zu den Ausführungen der FANC ergäbe sich die Frage, warum die Risse erst jetzt entdeckt worden sein sollen. Sie seien bei der Abnahme nicht dokumentiert, aber angeblich nicht im Betrieb entstanden! Die Betriebs- Genehmigung sei ursprünglich Rechts- ungültig! Renneberg weiter: Was nun? Eine Probe-Entnahme aus dem Reaktorgehäuse sei nicht möglich (Zerstörungsfreie Materialprüfung, d. Red.).

Die FANC gäbe zu, dass die eigenen Bewertungen nicht sicher seien. Ursache und Wachstum der Risse seien ungeklärt. Die FANC bescheinige lediglich eine „Höchstwahrscheinliche Sicherheit!“ und gehe stets von günstigsten Bedingungen aus. Dieses Prinzip sei falsch!

Weitere Ansprechpartner für die folgende Diskussion waren Johannes Kuhlen (BMUB) , Dr. Markus Kremer (Umweltdezernat Aachen) , und Hans de Neef (Belg. Krisenzentrum), die ihre Arbeit kurz vorstellten.

Es folgte eine lange, lebhafte Diskussion zu Themen wie: Versicherungstechnische Absicherung, Stresstest u.a.

Im Schlusswort sprach HGF Bayer das Thema Verantwortungsethik an und beendete den offiziellen Teil der Veranstaltung und lud zu weiteren Gesprächen ins Foyer ein.

 

Mein Fazit :

  • Ein nachträgliches „ordentliches Genehmigungsverfahren“ ist nicht mehr möglich. Das Restrisiko ist beim Reaktor Tihange nicht bewertbar, daher ist er stillzulegen.
  • Die Entscheidung dazu muss die Belgische Regierung treffen. Um das möglich zu machen, muss die Bundesregierung wirksame Hilfe bei der Versorgungssicherheit Belgiens anbieten, damit dieses (Schein-?) Argument gegen die Abschaltung nicht greift.
  • Bis zum endgültigen Abschalten von Tihange besteht für unsere Region ein erhöhtes Restrisiko. Zu Panikmache ist allerdings kein Grund.

Unser Dank gilt der IHK für diese Veranstaltung.

Dipl.Ing. André Brümmer